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Bundesfachgruppen

Großbrand Essen Bargmannstrasse 21.02.2022

Eine erste Analyse des Energieinstituts Hessen

Bei dem aktuellen Essener Großbrand (21.02.2022) an einem 4-geschossigen Mehrfamilienhaus mit ca. 100 m Länge und L-förmigen Baukörper in der Bargmannstrasse gibt es wieder Mutmaßungen über eine Brandbeteiligung von Fassadendämmstoffen. Dies war schon einmal beim Grenfell-Tower in London so, wo in Deutschland Polystyroldämmung verantwortlich gemacht wurde, obwohl keines an der Fassade verbaut war. So auch hier in Essen, wo die Fassade mit unbrennbarer Mineralwolle gedämmt war. Der Brand zeigt, es kommt bei Bränden auf viele Faktoren an, man kann den Brandverlauf nicht auf die Bedeutung eines einzigen Baumaterials reduzieren.

Anhand der in den sozialen und öffentlichen Medien kursierenden Filmen und Fotos zeigt sich eindrücklich, mit welcher Intensität sich das Brandgeschehen „vor“ der Fassade auf den Balkonen abspielt. Man sieht auf den Bildern, dass alle hinter den Balkonen liegenden Wohnungen brennen und alle Fensteröffnungen zerstört sind. Links im Bild Reste der weißen PVC-Balkonbekleidung, deren brennbare Masse der Sturm verspritzte und die auch flüssig vor dem Haus brannte.

 

Heute zeichneten sich folgende Fakten ab:

 

  • Youtube-Filme und Zeitungsberichte zeigen, die Gebäudefassade war nicht mit Polystyrol, sondern mit unbrennbarer Steinwolle gedämmt. Der Dämmstoff ist erhalten.
  • Die wichtigste Ursache für den heftigen infernoartigen Brandverlauf war der morgendliche Sturm. Am Morgen des Brandes herrschten Sturmbedingungen, Wind sorgte für Sauerstoff und riss die Flammen in alle Richtungen.
  • Das Dämmsystem ist ein Wärmedämmverbundsystem.
  • Die Balkonbrüstungen waren waagerecht mit PVC-Platten umlaufend bekleidet, hinzu kamen Balkontrennwände, Balkonuntersichten mit PVC.Bekleidung und senkrecht angeordneter PVC-Fassadenschmuckelemente, die sich stark am Brand beteiligten. Die Platten sind komplett verbrannt. Herumspritzende brennendes Material und die brennende Masse vor dem Haus stammen wahrscheinlich von dieser Verkleidung.
  • Der Fußboden der umlaufenden Südbalkone brannte über drei Geschosse in voller Ausdehnung. Er bestand wahrscheinlich aus Holz, auf jeden Fall aus einem brennbaren Material. Bei 90 m Hauslänge und 1,20 m Balkonbreite sowie drei Balkonetagen sind das mehr als 10 m³ Brennholz in luftiger Anordnung, direkt vor den Fenstern. Der Fußboden ist völlig abgebrannt. Möglicherweise beteiligten sich auch private Einbauten, Balkonmöblierung und brennbare ausgelagerte Materialien am Brand auf den Balkonen.
  • Die Fassade besteht im Wesentlichen aus Fenstern und fast raumhohen Fenstertüren. Der hohe Verglasungsanteil von rund 60 % der Fassadenfläche ist eine der Ursachen dafür, dass die Flammen vom Balkon schnell über die zerborstenen Scheiben in die Wohnungen vordrangen, was wiederum die Brandausbreitung über alle Stockwerke und die gesamte Hauslänge beschleunigte.
  • Die komplette Zerstörung der Wohnanlage geht auf folgende Schwachpunkte zurück: Brennbare Balkonfußböden und PVC-Bekleidungen, große Fensterflächen, und alles verstärkend der orkanartige Wind.
  • Sehr schnell nach dem Brand wurde über brennendes Polystyrol spekuliert. Auf den Begriff „Wärmedämmverbundsystem“ erfolgt in Deutschland schon reflexhaft der Gedanke brennendes Polystyrol, eine negative Konditionierung. Selbst die Feuerwehr Essen wurde bewusst falsch zitiert und stellte richtig, es handele sich um Mineralwolle auf der Fassade.
  • Die richtige Lehre aus dem Brand ist: Auch bei einer unbrennbaren Fassade sind die Brandrisiken nicht gleich Null, wenn vor Gebäuden große Brandlasten brennen. Erläuterungen hierzu finden sich in dem Brandbericht des Energieinstituts Hessen zum Brandfall eines MFH in Kaiserslautern, einem völlig ungedämmten Altbau, der durch einen Brand vor dem Haus zerstört wurde: https://www.energieinstitut-hessen.de/newpage1  (letzter Bericht auf der Seite).

 

Dipl.-Ing. Werner Eicke-Hennig, Leiter Energieinstitut Hessen

 

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Großbrand Essen Bargmannstrasse 21.02.2022

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